Von einer Borgkönigin auf der Krankenstation
By Daniel_Maximini@… (Daniel Maximini)
Neues Jahr, neues Posting. Viel Spaß. 🙂
<RPG>
Zeit: MD 25.0830
Ort: USS Artemis, Deck 5, Krankenstation.
Ohne klingonische Undercover-Agenten stellte sich das Leben auf dem
Uboot Artemis deutlich angenehmer dar. Niemand, der die aktuelle
Position des Schiffes verriet, niemand, der sie deswegen mit
Wasserbomben bewerfen konnte, keine neuen Explosionen oder
Implosionen… sondern etwas Zeit, Schäden zu beheben. Was so viel
hieß wie Stress für die Technik-Crews. Sie hatten nicht viel Zeit,
um die Artemis wieder Flugfähig zu machen, etwa genauso lange wie
eben die Marines benötigten, um diese klingonische Basis zu
infiltrieren und wieder zurück zu kehren. Captain Toussaint hatte
dabei einen Reparaturprioritätsvermerk auf die Krankenstation
gegeben, hauptsächlich, weil sein erster Offizier eine bessere
Behandlungssituation als eine Barke auf dem Casino benötigte. So war
es als nächstes die Aufgabe von Technical Crewman Salingaratnavar
Yatnaravarandraman, die von der Plasmaexplosion völlig verzogene Tür
auszutauschen, die Struktur der Krankenstationwände zu messen und
nach einer gründlichen Reinigung die benötigten technischen Geräte
neu zu replizieren. Ein klassischer Anfängerjob, denn genau das war
der junge Mann aus Bangladesh auch noch. Mit etwas Mühe bekam er die
Tür aufgestemmt und seufzte. Das war kein guter Beginn, er musste
sich echt durch die kleine Öffnung zwängen, um irgendwie ins Innere
zu gelangen. Und dort erwartete ihn ein Schlachtfeld. Das Licht war
aus, einzig das Flackern von Funken, die aus einer aus der Decke
gerissenen Verkabelung heraussprudelten und dabei ein wirklich
ungesund klingendes Energiegeräusch von sich gaben, halfen dem
Crewman, ein wenig sein Umfeld wahr nehmen zu können. Im Licht
seiner Taschenlampe war klar, wie übel es die Krankenstation
erwischt hatte. Überall Trümmer, verbrannte und verkokelte
Armaturen, lose Kabel und geschmolzenes Titan.
Salingaratnavar wandelte ein wenig im Dunklen umher und arbeitete
sich an einige Konsolen heran. Die ersten vier waren so stark
geschmolzen, dass die Touchscreensensoren nicht mehr funktionierten.
Die mussten komplett ausgetauscht werden. Konsole fünf hatte
zumindest nur Probleme mit der Stromversorgung. Die konnte er mit
Hilfe eines Werkzeuges schnell kurzschließen und hatte zumindest ein
paar rudimentäre Commands zur Verfügung. „Licht“ war sein erstes
Kommando und tatsächlich schienen vielleicht drei oder vier Lichter
noch in der Lage zu sein, diesem Befehl nachzukommen. Die
Krankenstation erblühte in einem eher orangen Notlicht und warf
somit nun einige längliche Schatten in den Raum. Dort, wo die
Schatten dem Licht wichen, sah Salingaratnavar die bittere Realität.
Er würde hier einige Stunden zu tun haben. Aus einer Tragetasche
puhlte er einen Raumstrukturscanner und koppelte ihn mit der müde
ächzenden Konsole. Kurz schoss ein weißes Lichtband entlang des
Raumes und tastete so jegliche Kontur der Wände ab, dann gab der
Scanner ein Ergebnis von sich <<„Crewman Yatnaravanandraman an
Ensign T’Kai!>>“
[[T’Kai hier]]
<<Ich habe nun die Strukturdaten von Deck 5. Die
Titanabweichung beträgt 0,59 Scandling.>>
[[Hm. Nicht gut, nicht gravierend]] gab die Vulkanierin kühl zurück.
<<Vieles wird von der Tür kommen denke ich. Es scheint sehr
nah des Epizentrums der Explosion gewesen sein.>>
[[Können sie Raumsektor vier bis sechs excludieren?]]
Salingaratnavar modelte kurz wieder an dem Gerät herum und
bestätigte dann <<0,35 Scandling>>
[[Gut, dann muss hier nicht das Titanfundament ausgetauscht werden.
Das ziehen wir im nächsten Dock gerade, aber bis auf weiteres hält
es dort, sie sind nicht akut Einsturzgefährdet. Ich würde
vorschlagen, sie dematerialisieren den Bereich der Tür und stützen
diese mit Parlakitschaum. Dann versuchen sie für die benötigte
Keimfreiheit eine provisiorische Lamarquewand in den Sektoren zwei
bis drei. Danach schauen sie mal, welche Konsolen noch funktionieren
und welche wir dann dematerialisieren und neu konfigurieren
müssen.]]
<<Aye, Ma’am. Ich gebe dann Bericht, wenn die Wände
stehen.>> nickte Salingaratnavar. Das würde wirklich lange
dauern. Er seufzte kurz und wackelte mit dem Kopf nach links und
rechts. Dann packte er aus seiner Umhängetasche einen
Dematerialisierer und begann die Tür zu atomisieren.
Zeit: MD 25.1048
Ort: USS Artemis, Deck 5, Krankenstation.
Salingaratnavar hatte sich inzwischen in den abgegrenzten Bereich
der Krankenstation durchgekämpft. Die Tür existierte nicht mehr und
ihr Rahmen war ein gar hässliches Provisorium aus einer modernen,
bauschaumartigen Masse, aber es hielt. Und auch dieser
provisorische, wie aus Plastik wirkende Vorhang hing gut versiegelt
von der Decke herab. Dahinter hatte der Asiat bereits ordentlich
Trümmer weggeräumt oder in seine Atome aufgelöst. Heimelig war es
aber noch lange nicht. Vor allem das Licht machte ihm kontinuierlich
Probleme, da es immer wieder ausfiel. Gerade stand er auf einer
kleinen Leiter und ließ einen Materieregenerator über eine
Bioplasmaleitung laufen, da flackerte es wieder und kurze Zeit
später stand er im dunklen. Mit einem seufzten stieg er von der
Leiter und tastete sich langsam durch den Raum. Ein völliger
Blindflug. Die Hände langsam vor sich haltend tastete er sich
langsam durch den Raum und kam letztendlich an einer Konsole an.
Diese leicht berührt, gab sie zumindest ein vielleicht eine Lux
starkes Licht von sich. Salingaratnavar sah so zumindest seine
Finger wieder. Aber sonst auch nichts. Wieder wackelte er
unzufrieden mit dem Kopf. Aber wenigstens wusste er nun, wo die Wand
war. Er wanderte nach rechts weiter durch die Dunkelheit und kam
schließlich wieder an einer Wandkonsole an. Mit einer Fingerbewegung
gab er so mal wieder das Kommando für die Deckenlichter und ließ
sich die neuste Fehlermeldung anzeigen. „Schon wieder Kanal 14? Wie
oft leitet er das denn noch darüber?“ grummelte er und gab der
Konsole den Befehl, die Stromverteilung an diesem Knotenpunkt vorbei
zu leiten. Mit begrenztem Erfolg. Es ging genau eine Lampe über ihn
an. Sehnsüchtig sah er zu der Lampe hinauf. Was gäbe er dafür, wenn
hier die Technik endlich so machen würde, wie er wollte.
„Hallo Salli!“
Crewman Yatnaravanandraman erschrak beinahe zu Tode. Er war bisher
hier doch alleine. Wenn jemand in den Raum gekommen wäre, hätte sich
die Person schon elfenhaft Leise verhalten müssen. Nein, sowas
konnte er doch nicht verpasst haben. Er drehte sich blitzartig um zu
dieser mysteriösen Stimme und blickte in die Leere des weiter nur
Schemenhaft beleuchteten Raumes. Da war niemand. Hatte er sich diese
Stimme nur eingebildet? Spielte ihm seine Fantasie einen Streich?
„Hallo?“ fragte er dennoch in den leeren Raum, doch damit erreichte
er nur, dass das Licht gleich wieder ausging und er nun wieder im
völligen dunklen tappte. Einzig diese eine Taste an der Konsole
zuvor war noch an.
„Salli? Alles in Ordnung?“
Ein eiskalter Schauer lief dem Bangladesher den Rücken hinab,
wenngleich die Stimme dieser Frau, die er hörte sehr warm und
freundlich klang. Anderseits machte es das gerade sogar noch
gruseliger. Das hatte etwas von einer Borgkönigin.
„Wer…. wer ist da?“ nahm er all seinen Mut zusammen.
„Hier ist Stella.“ gab die Stimme eine wenig hilfreiche Antwort.
„Stella… wer?“ er kannte keine Stella.
„Einfach nur Stella. Also eigentlich Stellarpsy. Du…. wirkst
nervös? Alles in Ordnung?“ Versuchte diese Borg-Geisterstimme ihn
gerade zu beruhigen? „Entschuldigen sie, Mrs. Psy… ich… kann sie
nur gerade nicht sehen.“
„Ich weiß.“ Tat Stella, als wäre das völlig normal. „Und wirklich,
du darfst Stella sagen. Mrs. Psy ist… neu. Hat was, geb ich zu…“
Salli wurde immer unruhiger. Seine Augen suchten Links wie Rechts
nach einem Fluchtweg, doch da war nur Dunkelheit. Langsam ging er
rückwärts. „Nun… äh… Stella… also… war nett, aber ich hab
hier viel zu tun…“ Beim Rückwärtsgehen war er letztendlich an
einer Wand angekommen. Seine Hand wanderte diese entlang und er
versuchte einige Konturen zu ergreifen. Zum seinem Glück erkannte er
bald darauf ein weiteres Wandpanel. Wieder justierte er etwas in der
Command-struktur und versuchte erneut das Licht anzumachen.
Diesesmal gelang es etwas besser und das Licht gleich mehrerer
Deckenpanels erfüllte die Krankenstation wieder in das inzwischen
gewohnte Orange. Salli war völlig alleine.
„Das… gibt’s doch gar nicht. Sehe ich Geister?“ schüttelte er
ungläubig den Kopf.
„Die Wahrscheinlichkeit, dass du Geister siehst, steht unter
Auswertung meiner Speziesdatenbank und der aktuellen Lokation des
Schiffes bei 0,17 Promille. Da würde ich mir keine Gedanken machen.“
antwortete der Raum. Salli erschrak erneut. Er war eindeutig allein.
Seine Augen wanderten umher „Wo… bist du, Stella?“
„Merkwürdige Frage. Na hier. Krankenstation USS Artemis. Ist
wirklich alles in Ordnung? Komm doch nochmal zu mir.“
<<Genau, lauf mir ins Löwenmaul>> dachte sich der
Crewman. Langsam ging er seitwärts die Wand entlang, Richtung
Ausgang. Dann fiel ihm ein, dass eine unsichtbare Borgkönigin
überall sein könnte, also eben auch genau da, wo er hin wollte. Also
blieb er stehen, da dies offensichtlich ein Ort war, an dem sie sich
nicht befand.
„Ich… äh… nein… wirklich alles in Ordnung. Ich… kann dich eh
nicht sehen und wüsste nicht, wo ich hin müsste…“
„Ja, das sagtest du bereits. Natürlich kannst du mich nicht sehen.
Dein Humor ist wirklich genau so erfrischend wie kalkuliert.“
kicherte Stella.
„Kalkuliert… was?…“ jetzt war er restlos irritiert.
„Nun, ich habe keinen Körper…“ erlöste Stella den
eingeschüchterten Techniker.
„Also bist du…. einfach eine Computerstimme?“ begriff er langsam.
„Cleverle.“ Lachte die Stimme. „Und ich dachte schon, ich müsste an
der Authentizität deines Technikerprädikates der
Sternenflotten-Schule zu Accra zweifeln.“
Stella war ungewöhnlich gut informiert. Aber immerhin. Irgendwie
hatte er wohl eine Vocal Schnittstelle aktivieren können. Das würde
ihm hier das Leben sehr viel einfacher machen.
„Aber gut… Computer?“
„Stella! Es heißt Stella.“
„Nun gut… Stella. Kannst du dir vielleicht mal
Knotenverteilungspunkt 14 analysieren? Da ist irgendwo ein defektes
Failsafe aktiv.“
„Nein.“
„Wie nein?“ Sallis Schläfen fingen an zu schmerzen. Was ging hier
ab? „Wieso nicht?“
„Weil ich nicht Pablo bin.“ gab Stella entschlossen zurück.
„Wer ist schon wieder Pablo???“ fiel er nun völlig ins Leid.
„Oh. Ich gebe zu, das konntest du nicht wissen. Ich stehe ja im
ständigen Austausch mit dem Bordcomputer. Ich hab mir irgendwann
angewöhnt, ihn Pablo zu nennen. Ich glaube, er mag diesen Namen. Wie
auch immer, ich funktioniere Autark von Pablo… also dem
Bordcomputer. Ich kann ihn lesen, aber ich habe keine ausführende
Freigabe. Zudem scheine ich ein paar… Defekte zu haben.“
„Defekte?“ reagierte Salli zögerlich
„Nun, ich muss gestehen, auch ich kann dich gerade nicht sehen. Das
Okularmodul hat keine Stromzufuhr. Kannst du dir das vielleicht
ansehen?“
Aha. Sie war geschickt, aber nun war er sich sicher, dass es eine
gut versteckte Borgkönigin war, die er da vor sich hatte. „Wenn du
mich nicht sehen kannst, woher weißt du dann, dass ich Crewman
Yatnaravanandraman bin?“
„Weil ich deinen Fingerabdruck erkannt habe, also du mich eben
aktiviert hast.“
„Ich… habe dich aktiviert?“ Sein Blick fiel auf das kleine Licht
der Konsole, die er eben versehentlich berührt hatte. Innerlich
seufzend schlug er sich die Hand an die Stirn. DAS war hier also
los. Er hatte ein zugegeben sehr sonderbares aber offensichtlich
medizinisches Programm geöffnet.
„Ach, du bist das MHN!“ atmete Salli erleichtert aus.
„Nein, bin ich nicht!“ protestierte Stella entschieden. „Also
wirklich, da zeige ich mich in all meiner Not von meiner besten
Seite und als Dankeschön vergleichst du mich mit diesem
glatzköpfigen, verkrampften Stock-im-Arsch-Mediziner. Weißt du
eigentlich, wie öde das ist, wenn ich mich mit Alberts Datenbank
kurz schließen muss? Er hat sowas von kein Feingefühl und keinen
Weitblick. Aber was soll man von einer 4 Exabyte Datenbank auch
erwarten…“
„Eh…. bist du gerade ein Computerprogramm mit gekränktem Ego?“
legte Salli den Kopf schief, während seine Kinnlade ein wenig
abfiel.
„Macht dich das etwa neugierig?“ gab Stella eine verspielte
Gegenfrage zur Antwort.
Ertappt. „Ich… muss gestehen, dass ich das, was hier gerade
passiert als… unerwartet empfinde.“
„Nun, wenn du zu meiner Konsole kommst, ein paar Reparaturen
durchführst und das Okularmodul überprüfst, könnte das einige
Antworten liefern.“ gab Stella mit einer unfassbar zuckersüßen
Stimme zurück.
Zwei Schritte wagte sich Salli in Richtung der Konsole, dann stoppte
er doch. „Ich… habe eigentlich erst noch anderes wichtiges zu tun.
Ich muss diesen Raum noch sterilisieren, damit die Krankenstation
wieder in Betrieb genommen werden kann.“ Fast wäre er der
Borgkönigin doch auf den Leim gegangen. Auch wenn sie weiterhin
nicht nachließ. „ach komm schon. Was kann ich für dich tun?
Vielleicht ein wenig heimatliches Gefühl?“ ihre Stimme erhielt einen
indischen Akzent und fing an, auf Bengali weiter zu sprechen. „Āmi
āpanākē gyārānṭi dicchi yē mērāmataṭi ēgiẏē ānāra jan’ya ēṭi āpanāra
pakṣē mūlyabāna habē?“
Salli schloss die Augen. Jetzt spielte Stella also die Heimwehkarte.
Ohmann, sie war gut. Wieder ging er zwei Schritte nach vorne, er war
fast an der Konsole angekommen, dann bremmste er doch. „Nein…
wirklich. Ich muss erst die Krankenstation reparieren. Unser erster
Offizier braucht dringend eine funktionstüchtige Krankenstation,
sonst nippelt er uns ab, da will ich nicht dran schuld sein. Tut mir
leid!“ blieb er doch standfest.
„Moment, wieso nicht funktionstüchtig? Was ist denn hier los?“
entgegnete Stella nun wieder akzentfrei.
„Hast du das nicht mitbekommen? Eine Plasmaexplosion hat die
Krankenstation völlig in Trümmer gepackt?“
„Bitte WAS?“ Stella wirkte ungläubig entsetzt.
„Das musst du doch sehen?“ hatte Salli inzwischen ganz vergessen,
mit wem er spricht. Zu menschlich war diese Stimme bereits geworden.
„Hallooo?!?, ich bin eine künstliche Intelligenz. Wohlgemerkt mit
defektem Okularmodul, ich sehe derzeit rein gar nichts! Und ohne
dass mich jemand aktiviert – dafür noch einmal vielen Dank – wie
sollte ich das bitteschön mitbekommen?“
„Äh…“ Der Techniker kam sich gerade ganz schön doof vor.
„Ist es sehr schlimm?“ wurde ihre Stimme auf einmal wieder
einfühlsamer.
„Nun, sagen wir so, ich werde hier noch ein paar Stunden mit den
Reparaturen beschäftigt sein. Es hat schon ordentlich
eingeschlagen.“
„Kam jemand zu schaden?“ wurde Stella vorsichtig.
„Soweit ich weiß, konnten die Insassen vorher über Geoffreysröhren
flüchten. Aber es war schon brenzlig, wir hatten zwei klingonische
Spione an Bord, die als Mensch getarnt hier ordentlich Schaden
angerichtet haben. Verletzte gab es schon und wie gesagt, unser
erster Offizier ist ziemlich schwer verletzt.“
„Wie… geht es Liyun?“ wurde Stella nun richtig Leise.
„Wer?“ Salli hatte bisher kaum Kontakt zum neuen Arzt.
„Entschuldige, ich meinte Dr. Corapara…“
„Ah. Der neue Arzt. Soweit ich weiß, geht es ihm gut.“
Schweigen war die Antwort. Das Schweigen ging so lange, dass Crewman
Yatnaravanandraman bald selbst das Schweigen beendete. „Nun… ich
mache dann mal weiter mit der Arbeit…“ wendete er sich dann wieder
den Konsolen zu.
Etwa zehn bis fünfzehn Minuten war es tatsächlich still und
Salingaratnavar kam voran, da meldete sich Stella auf wieder einmal.
„Salli?“ Wieder erschrak der Bangladeshler. „Uah… entschuldige,
ich hab ganz vergessen, dass du noch an warst…“
„Nun, du warst nicht an meiner Konsole, um mich auszuschalten. Oder
andere Dinge daran zu reparieren.“ Klang die KI wieder etwas
vorwurfsvoll bis passiv aggressiv.
„Nun, was kann ich für dich tun?“ ging Salli nicht weiter darauf
ein. Aber er musste sich zugestehen, dass er Gefallen an dieser
Borgkönigin gefunden hatte. Sie war gut darin, seine Hebel zu
bedienen, das musste er ihr lassen.
„Nun, ich habe mich mit Pablo unterhalten, mich auf den neusten
Stand gebracht und etwas gerechnet. Kannst du vielleicht Elin
Lysgaard rufen?“
„Was? Die zweite Offizierin? Warum?“ wunderte er sich
„Weil der erste Offizier im Koma liegt?“ brachte Stella sehr viel
Unverständnis für so eine offensichtlich dumme Frage auf.
„Nein, warum willst du mit einem Offizier sprechen?“ stellte Salli
seine Frage klar.
„Nun, ich habe wie gesagt eine Kalkulation gestartet. Ich habe die
zu erwartenden Verhaltensweisen der Crew, zu erwartende Reaktionen
und Handlungen von Klingonen, die aktuelle technische Situation und
die chemischen und biologischen Eigenschaften einer hypersomischen
Umwelt in Relation zueinander gestellt und ermittelt, welche
Herangehensweise den größtmöglichen Erfolg der Mission garantiert.
„Sowas kannst du?“ wunderte sich der Crewman.
„Für einen Techniker eines Föderationraumschiffes stellst du an eine
KI manchmal echt dumme Fragen, weißt du das eigentlich?“ wirkte
Stella nun wieder genervt.
„Ich bin halt kein Offizier…“ rollte Salingaratnavar mit den
Augen. „Willst du vielleicht erstmal mir sagen, was du
herausgefunden hast? Wenn du eine Lösung parat hast, die eine
Erfolgswahrscheinlichkeit von 5 Prozent garantiert, kann ich dir
schon sagen, wie der Captain das annehmen wird.“
„Captain Toussaints Risikobereitschaft liegt bei mehr als 5 %. Genau
genommen liegt sie bei 55 bis 75 Prozent, je nach hormoneller
Belastung durch seine aktuelle Midlife Crisis.“
„Eh… plauderst du gerade persönliche Krankenakten aus?“ starrte
Salli ungläubig in die Leere des Raumes, Richtung Konsole.
„Ah, der Crewman begreift langsam, warum ich um eine Reparatur
gebeten habe…“ zickte sie zurück. „Aber gut. Hör zu. Auf Basis all
dieser Daten hat das Schiff aktuell folgende Hauptprobleme. Punkt 1
– sie ist unter Wasser. Punkt 2, sie hat keinen planetaren Antrieb,
hat also keine Möglichkeit, in den Orbit des Planetens zu gelangen.
Punkt 3, der Status der planetaren Abwehr der Klingonen ist unklar.
Punkt 4, die Struktur der Artemis ist mit lädiert freundlich
ausgedrückt, sie zu verlassen und über Shuttles und Fluchtkapseln zu
verlassen jedoch auf Grund der geheimen Natur des Schiffes keine
Option. Ich habe nun errechnet, dass es möglich ist, das System zu
verlassen und zumindest für ein Shuttle mit zwei Personen eine
Fluchtwahrscheinlichkeit von 99 % zu garantieren.“
„Ein Shuttle für zwei Personen? Wir haben fast zweihundert Personen
an Bord? Was ist mit den anderen?“
„Nun, ich habe gemäß psychologischem Profil Analysen gestartet und
die persönliche Opferbereitschaft jedes einzelnen Crewmitglieds
kalkuliert. Dabei die mit gehobener Opferbereitschaft in
entsprechende Selbstmordkommados und Ablenkungsmaneuver verteilt,
sodass die mit geringerer Opferbereitschaft in potentiell Erfolg
versprechenderen Fluchtkapseln den Rückweg angehen. Das Modell würde
für dich zum Beispiel eine Überlebenschance von 41,7 % vorsehen.“
„Soll ich mich jetzt geschmeichelt fühlen?“
„Es geht so…“ gab sie frech und emotionslos zurück.
„Darf ich fragen, wer unter dieser Voraussetzung die 100 %
Überlebenschance erhält? Und was ist mit der Artemis selbst?“
„Die Artemis wird vor der Flucht selbst zerstört. Die Mission auf
jeden Fall überleben würde die beste Pilotin an Bord, Lt. Jg.
Sharika Reen sowie der leitende medizinische Offizier, Dr.
Corapara…“
Salli rieb sich die Augen und atmete etwas erschöpft aus. „Warum
klingt das, als würde man einfach alles und jeden als Kanonenfutter
um die beiden umher fliegen lassen bis nur noch die beiden übrig
sind?“
Stella erlaubte sich ein vielsagendes Schweigen. Salingaratnavar
atmete ähnlich müde tief ein und seufzte. „Ich denke, diesen
Vorschlag wird der Captain so nicht absegnen. Das Gespräch mit Mrs.
Lysgaard kannst du dir so schenken. Aber aus reinem Interesse, gibt
es auch ein Modell, dass jedem Crewmitglied UND der Artemis eine
Entkommenschance garantiert?“
„Lass mich kalkulieren…“ gab Stella nun sehr computerhaft zurück.
Der Techniker hingegen wackelte wieder mit dem Kopf nach rechts und
links. Es brauchte vielleicht zwanzig Sekunden, da meldete sich die
KI wieder. „Ich habe eine Möglichkeit gefunden, doch sie beläuft
sich bei einer Erfolgsquote von gerade mal maximal 55,6 %.“
Salli nahm wieder ein Werkzeug aus seiner Umhängetasche und fing
wieder an, Justierungen an der Wandkonsole durchzuführen. „Erzähl
es mir doch trotzdem.“ Er fing an, sie wie ein Radioprogramm wahr zu
nehmen. Eine schöne Stimme im Hintergrund.
„Nun, zunächst sollte die Artemis sich südlich bewegen, dort ist das
Meer zum einen nicht so tief, zum anderen gibt es undichte
Erdgaskammern, die durch eine derzeit latent messbare seismische
Aktivität auf dem Planeten gerade porös werden. Dies hat zur Folge,
dass unter dem Salzwasser Süßwasser frei gesetzt wird. Dies wirbelt
nicht nur das Wasser auf und macht es schmutzig, sondern setzt über
Wasser ein Kohlensäureähnlichen Effekt in Kraft, der bei Gleitern
durch die aerodynamischen Unwuchten zu Flugproblemen führen wird.
Das Ganze ist vergleichbar mit dem Bermuda-Dreieck der Erde. Hier
kann die Artemis vor allem ungestört und ohne den gravierenden
Tiefendruck arbeiten an der strukturellen Integrität und dem
Warpantrieb durchführen. Dies behebt Problem 1. Einzig die
implodierte Stelle an Deck 6 sollte man besser fluten und das
Titanmaterial der Außenhülle sammeln umfunktionieren. Das Material
sollte neu gegossen und als Raketensilo an der Außenhülle fest
installiert werden. Gleichzeitig wäre die Wissenschaftsabteilung
gefragt, da sie eine bestimmte Menge an Kerosin, Wasserstoff,
Salpetersäure, Distickstoffmonoxid, flüssigem Sauerstoff,
Sauerstoffdifluorid und Fluor anzufertigen und diese Tanks damit zu
füllen. Eine entsprechend geschaltete Zündung wäre in der Lage, die
Artemis in die Umlaufbahn zu schießen, vergleichbar mit der
Raketenpionierszeit der Erde im 20sten Jahrhundert. Die dadurch
erreichte Geschwindigkeit muss sich auf 8,3 Kilometer pro Sekunde
belaufen, um die Umlaufbahn zu erreichen, diese Geschwindigkeit ist
auch viel zu schnell, als dass klingonische Atmosphärengleiter sie
erreichen könnten. Mit so einer Antriebsgeschwindigkeit wäre man vor
ihnen also geschützt. Doch der Orbit ist dann die große unbekannte.
Die Artemis auf diese Geschwindigkeit zu beschleunigen wäre im
Weltraum kein Problem, eine Atmosphäre hingegen stellt die
Strukturelle Integrität auf eine harte Probe. Es reicht ein loses
Schrottteil, welches sich los reißt und die Statik des Schiffes
beeinflusst und die Artemis würde in der Atmosphäre verglühen. Auch
sind die Fliehkräfte in einem so hohen G-Bereich, dass ungeschulte
Bordbewohner in Ohnmacht fallen könnten. Und sobald man die
Thermosphäre erreicht hat, sind die klingonischen Schiffe in der
Umlaufbahn sehr wohl in der Lage, die Geschwindigkeit der Artemis zu
erreichen. Eine voll einsatzfähige Artemis könnte sich mit ihrem
Schleichantrieb natürlich schnell quasi unsichtbar für die Angreifer
machen können, aber die Strukturschäden durch den Atmosphärenritt
sind so unkalkulierbar, dass entsprechende Ausfälle sehr
wahrscheinlich sind. Und dann könnte man sich quasi auch in USS
Zielscheibe umbenennen, so käme es nämlich an.“
„Klingt, als bräuchte es gute Ingenieure.“ fühlte sich Salli
tatsächlich ein wenig in der Ehre verletzt.
„Die haben wir. Deswegen 55,6 %. Ich habe das einkalkuliert.“
„Und was, wenn die Klingonen uns da oben nicht erwarten? Da draußen
ist ja immer noch irgendwo die Hephaistos. Und wir haben Marines da
draußen, die den Klingonen gerade ordentlich einheizen.“
„Ich befürchte, gemäß meiner Kalkulation werden die Marines da kaum
einen Unterschied machen. Da müsste schon was ganz verrücktes
passieren. Ein schwarzes Loch im Vorgarten oder so.“
„Was? Ein Schwarzes Loch im Vorgarten?“
„Vergiss es einfach. Ich hätte auch sagen können, dass wir alle
gelbe Handtücher auf den Schultern tragen könnten, falls du es etwas
literarischer brauchst. Aber ja, so etwas unwahrscheinliches würde
unsere Chancen in der Tat um ein vielfaches vergrößern.“
Salingaratnavar war ins Grübeln gekommen. Er war ja nun doch auch
Ingenieur. Und das klang irgendwie erstaunlich machbar. „Kannst du
diese Analyse vielleicht an die Brücke schicken?“
„Klar… wenn du meine Konsole reparierst…“
„Netter versuch, Stella.“ Musste Salli lachen. Diese Borgqueen ließ
nicht locker. Dennoch gab er umgehend eine Meldung an die Brücke.
Sie sollten sich das vielleicht wirklich mal anhören.
</RPG>
<SUM>
Zeit: MD 25.0830
Ort: USS Artemis, Deck 5, Krankenstation.
Crewman Yatnaravanandraman erhält den Auftrag, die Krankenstation
wieder herzurichten, damit man möglichst schnell Samsaan in eine
bessere Umgebung verlegen kann.
Zeit: MD 25.1048
Ort: USS Artemis, Deck 5, Krankenstation.
Der Techniker hört auf einmal eine verführerische Stimme in der
Dunkelheit. Ist das eine Borgkönigin? Wie auch immer, sie hat einige
interessante Lösungsprobleme der aktuellen Situation parat.
</SUM>