ein medizinisches Notfallteam im Einsatz
By Jetsun.Pema@… (Jetsun Pema)
<RPG>
#Ort: USS Hephaistos – Geos, Deck 09 – primäre Krankenstation
#Zeit: MD 25.0500
Lieutenant Jetsun Pema war wie sicherlich alle Besatzungsmitglieder der Hephaistos körperlich ausgelaugt, jedoch psychisch völlig überdreht. Die Flüge, die sie unternommen hatte, um nach den anderen Schiffsteilen zu suchen, in deren Verlauf sie auch Karaxes, Nazira Tapais weißen Raben gefunden hatte, hatte sie sowohl geschlaucht als auch aufgebaut. Sie hatten sich dann alle hingelegt, doch an Schlaf war nicht zu denken gewesen.
Dann war, wieder einmal, roter Alarm ausgelöst worden. Jetsun hatte zwar wirklich nicht geschlafen, dennoch riss der Alarm sie so hart aus ihrer Trance, dass sie einige Sekunden brauchte, um sich zu orientieren.
Niemand auf der Krankenstation wusste, was los war, aber alle wussten, was zu tun war. Die Schiffsführung würde sie schon informieren, wenn es wichtige Informationen für sie geben würde. Diagnoseliegen wurden bereitgemacht, ebenso die Notfall-OP-Systeme. Rettungssanitäter schulterten ihre Ausrüstungsrucksäcke und überprüften die Laserschneider, die gebraucht wurden, um gegebenenfalls an eingeklemmte Verletzte herankommen zu können. Auch Sauerstoffmasken für Retter wie Opfer wurden überprüft. Danach hieß es warten.
#Ort: USS Hephaistos – Geos, Deck 09 – primäre Krankenstation
#Zeit: MD 25.0505
Ein spürbarer Schlag ging durch das Schiff und riss Jetsun aus ihren fruchtlosen Gedanken.
„Was war das?“ wurde die Frage gestellt. In diesem Augenblick erklang eine Durchsage: „Achtung! An alle. Sicherheitspositionen einnehmen! Ich wiederhole…“
„Wir starten wohl wieder!“ mutmaßte einer und ein allgemeines Jubeln der Erleichterung erscholl. Gleichzeitig schwang aber auch ein bangendes Erwarten mit. Sicher, es war schön, wieder von hier fortzukommen, doch würden sie durch die klingonische Wachflotte gelangen können? Oder war dies hier eher eine Art Kamikaze-Einsatz? Doch der Kommandant, Captain Ruthven, war ja nicht dafür bekannt, sinnlose Tode gutzuheißen.
Einige Minuten später spürte alle, wie zwei weitere Schläge erklangen. Dann fühlte man das leise Vibrieren, das alle erkannten. Die Andockklammern zogen die Schiffsteile Olymp und Hades an die Geos und verankerten sie! Die Hephaistos war wieder eines! Immense Erlechterung durchfuhr alles Personal der Krankenstation auf ihren Sicherheitssitzen. Es gab wohl keinen, der nicht einen verstohlenen Blick nach oben warf, doch die Krankenstation hatte keine Außenfenster und so blieb es bei der Phantasie jedes einzelnen überlassen. Sicher würden sie bald eine Lageinformation der Schiffsführung erhalten.
#Ort: USS Hephaistos – Geos, Deck 09 – primäre Krankenstation
#Zeit: MD 25.0545
Nach dem erfolgreichen Andockmanöver war die Intersektionale Transition noch nicht wieder freigegeben. Aber es gab auch noch viel zu viel zu tun auf der Krankenstation. Sie hatten neun Todesopfer zu beklagen, darunter sechs Patnetien und drei der medizinischen Crew. Jetsun hatte inzwischen erfahren, dass es auch auf anderen Stationen Verluste gegeben hatte, fragte sich aber natürlich dennoch, ob sie irgendetwas verschuldet hatte. Waren sie unvorbereitet gewesen? Hatte irgendetwas nicht funktioniert? Oder waren ihre Patienten und ihre Leute einfach nur zu exponiert gewesen? Bei dem Aufschlag der Geos auf der Planetenoberfläche hatte sich die massive Operationseinheit des zentralen OPs aus der Verankerung an der Raumdecke gerissen und den Patienten sowie CPO Te-Aboshanai und Sanitäts-Crewman Arran th’Roni einfach zerdrückt. Sanitäts-Crewwoman Sileia war einer Energiespitze zum Opfer gefallen, als eine Wandkonsole explodierte. Und die übrigen fünf Patienten waren aufgrund der fehlenden medizinischen Notfallversorgung wegen eines Energieausfalls ums Leben gekommen.
Jetsun seufzte tief. Auf jeden Fall würde das noch aufzuarbeiten sein und davor graute es ihr jetzt schon. Es gab ja auch Hinterbliebene, die informiert werden mussten und die trauern würden. Etwas, wofür sie die Verantwortung zu tragen hatte. Sicher, es war Krieg. Und auch so hatte Jetsun schon mit dem Tod ihre Erfahrungen gemacht. Dennoch war so etwas immer sehr schlimm.
Stichwort Tote und Verletzte. Es gab da etwas, was Jetsun unbedingt wissen musste. Also aktivierte sie die medizinische Datenbank des Schiffes und suchte nach weiteren Verletzten und eventuellen Todesopfern. Sie ging die Liste durch und stoppte fast sofort. Da, unter dem Buchstaben „A“ stand: Aquila, Massimo!
Jetsun musste sich setzen und ihre Hände zitterten so stark, dass sie sie ineinander faltete, damit es nicht auffiel. Massimo! Er war verletzt, lebte also noch. ‚Namu Amida Butsu‘ flüsterte die Bhutanerin und schloss kurz die Augen. Weitere Informationen gab es nicht, nur dass er derzeit nicht dienstfähig geschrieben war. Und das seit dem Absturz.
Jetsun schluckte. So etwas sollte eigentlich nicht sein, Sie sollte sich um alle ihre Patienten gleichermaßen sorgen, doch die Realität sah anders aus. Jetsun biss sich auf die unterlippe. Sie hatte ihren Mann und ihren neugeborenen Sohn bei einem Absturz eines Gleiters verloren. Sie wollte… sie konnte so etwas nicht noch einmal ertragen!
Plötzlich zuckte sie heftig zusammen, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte.
„Was ist?“ hörte sie Nathaly Grace’s Stimme leise an ihrem Ohr.
Jetsun sah sich um und riss sich zusammen.
„Es ist Massimo. Er wurde verletzt und ist seitdem nicht diensttauglich.“
Nathaly nickte. Sie kannte ihre Chefin und Freundin ja nun schon ein paar Tage.
„Wir müssen medizinische Notfallteams in die anderen Sektionen schicken. Ich denke, du solltest ein Team auf die…“ sie sah auf das Display „…auf die Olym führen. Schau nach ihm. Aber mach Dich nicht verrückt, ja? Wir haben alle Hände voll zu tun.“
„Oh, Gott!“ Jetsun sprang auf und umarmte die Ensign fest und küsste sie spontan.
„Danke! Ich… Danke!“ Dann ließ sie die überraschte Nathaly wieder los, lächelte etwas verschämt und meinte: „Ich schnappe mir meinen Notfallkoffer und… zwe Leute und mache mich auf den Weg.“
„Hier!“ meinte Nathaly und reichte ihr ein PADD. „Nimm das mit. Die Liste Deiner Patienten auf Olymp.“
„Ja… ja!“ nickte Jetsun. Und fragte sich zum Wiederholten Male, weshalb es nicht Nathaly war, die die Station führte. Manchmal fühlte sie selbst sich völlig überfordert und unfähig. Aber andererseits machte ihr Nathaly auch immer wieder klar, dass sie das nicht so sah und dass vor allem sie überhaupt keine Lust auf all den Verwaltungskram hatte, der bei einer Leitungsfunktion so anfiel. Buddha, was täte sie nur ohne sie!
#Ort: USS Hephaistos – Olymp, Deck 03 – auf dem Weg zur sekundären Krankenstation
#Zeit: MD 25.0610
Da die Turbolifte auch nur für überlebensnotwendige Funktionen freigegeben waren, hatten sich Jetsun und ihr Notfallteam mit Taschen und Rucksäcken auf den Fußweg gemacht. Gerade für sie war es schwierig. Einerseits war ein Rucksack auf dem Rücken nahezu unmöglich zu tragen, da ihre Schwingen so etwas eigentlich nicht zuließen. So hatte sie stattdessen eine Umhängetasche genommen, deren Riemen sie mit einem Magnetverschluss öffnen und schließen konnte. Aber auch das Klettern durch die Jeffriesröhren war mit den Flügeln nicht unbedingt ein Vergnügen. Jetsun fragte sich zum hundertsten Mal, weshalb es keine Treppen auf einem Sternenschiff gab, doch die Antwort war ihr natürlich klar. Treppenhäuser lassen sich im Falle eines Hüllenbruchs nicht besonders gut abdichten. Dennoch war das Klettern mit Rucksäcken und Taschen durch die engen Öffnungen ausgesprochen unglücklich.
Wie richtig das mit dem Klettern und dem zu Fuß gehen war, zeigte sich, als plötzlich alle Lichter ausgingen und alle Apparaturen verstummten. Zum Glück ließ die Gravitation nicht nach. Aber schon nach wenigen Augenblicken kam wenigstens die Notenergie wieder. Die Gänge wurden in schwaches Licht gehüllt und zumindest die Luftumwäzung lief wieder an. Und offenbar auch einiges an anderer Technik. Dennoch fand Jetsun das ein sehr schlechtes Zeichen.
Endlich kamen sie auf dem richtigen Deck an und trabten den Gang entlang in Richtung Krankenstation. Und Jetsun bangte davor, zu erfahren, was mit Massimo passiert war.
#Ort: USS Hephaistos – Olymp, Jeffriesröhren
#Zeit: MD 23.1840
Den Aufschlag auf das Wasser hatte Massimo gut überstanden, aber auch wenn dieser verhältnismäßig sanft gewesen war – er wollte sich gar nicht vorstellen, das passiert wäre, wären sie auf harten Fels geprallt – gab es doch etliche Personen mit Blessuren. Und Eingeklemmte. Es gab genug Sicherheitsleute, die sich um die Sicherung der Hephaistos-Sektion kümmern konnten und Massimo Aquila war noch immer Sanitäter, also war es nur logisch, dass er uns sein Zug, vier weitere Marines, dazu übergingen, sich um eben diese Verletzten und Eingeklemmten zu kümmern. Auch Katastrophenschutz gehörte zu den Dingen, um die sich das HAZARD-Team kümmerte.
So also war Massimo eingetaucht in die nur durch Notlicht beleuchteten Technikgänge und Röhren, die sich überall durch das Schiff zogen. Ein Techniker war zwischen zwei Versorgungsrohre geraten im untersten Deck der Sektion geraten und saß dort fest. Das eine Rohr war heiß! Der Mann hatte Schmerzen und die Befreiung war so schnell wie möglich durchzuführen, bevor der Mann noch schlimmere Schäden davontrug.
Gemeinsam mit Corporal Elbrum war er die Leitern hinabgeklettert, bepackt mit einem hydraulischen Spreizer und weiteren Werkzeugen und natürlich Massimos Sanitätstasche.
„Helfen Sie mir“, hatte der Mann schon weitem panisch gerufen.
„Wir sind sofort bei Ihnen“, beruhigte der Staffsergeant.
„Das ist verdammt heiß!“, stöhnte der Techniker zurück.
Die beiden Marines hatten den Mann schnell mit Hilfe des Spreizers befreit und Massimo Aquila kümmerte sich um die leichten Verbrennungen mittels Kühl- und Heilpaste. Schwere Quetschungen hatte der Mann nicht erlitten, lediglich ein paar blaue Flecken und das heiße Rohr war natürlich Ursache leichter Verbrennungen, die schon bald nicht mehr zu sehen sein würden. Das war nochmal glimpflich ausgegangen.
Oberhalb Massimos klapperte irgend etwas. Er befand sich direkt unter der Öffnung der Jeffreysröhre neun. Das rote Licht der Notbeleuchtung ließ ihn nur wenig sehen, aber er blickte direkt nach oben, als die herabfallende, sich weit oben gelöste und dann abgestürzte Strebe seinen kahlen Kopf traf. Dann sah und hörte er nichts mehr.
#Ort: USS Hephaistos – Olymp, Deck 03 – sekundäre Krankenstation
#Zeit: MD 25.0620
Als die Chefärztin der Hephaistos den Bereich der sekundären Krankenstation betrat, ging ihr Blick durch den Raum. Drei der vier Biobetten waren belegt und auf einem diese lag der Mann, nach dem sie sehen musste. Mit nur einem Blick erfasste sie, was los war. Der kahle Kopf des Mannes war locker verbunden und er lag unter einem Stasisfeld. Etwas hatte den Kopf des Mannes getroffen und ihn beinahe zertrümmert. Zum Glück war Massimo ein Dickschädel, den nichts so leicht umbrachte, aber auch der härteste Schädel konnte nicht mit einer Duraniumstahlstrebe konkurrieren. Jetsuns Herz setzte einen Schlag lang aus, dann beruhigte sie sich. Ja, der Schädel hatte einen Bruch erlitten, aber es gab keine Quetschung des Gehirns, keine Schäden, die nicht behoben werden konnten, die sie selbst nicht beheben könnte mittels der modernen Medizin! Und es war vollkommen richtig gewesen, ihn in Stase zu versetzen, bis ein Arzt, die Chefärztin, sich um ihn kümmern konnte.
Später überlegte sich Jetsun, wie sie das geschafft hatte. Wahrscheinlich war es sogar „gut“ für sie gewesen, gebraucht zu werden. So hatte sie keine Zeit, sich Sorgen zu machen, sondern konnte sich voll und ganz darauf konzentrieren, Massimo zu helfen.
Jetsun fummelte ihre Umhängetasche ab und übersah die üblichen Blicke auf ihre Flügel. Ja, sie hatte die schon einige Tage und viele hatten sie schon gesehen, doch ebenso viele waren nach wie vor fasziniert von dieser Idee. Doch daran hatte Jetsun sich inzwischen gewöhnt.
Sie sprach die diensthabende Ärztin der sekundären Krankenstation an.
„Hallo Ilali, kann ich bitte einen Scan haben?“
Ilali ak Metano, die rothäutige Renao, kam zu ihr und gab ihr ein PADD.
„Sicher, Lieutenant. Hier, bitte sehr!“
„Danke!“ Jetsun konzentrierte sich. Tatsächlich gab es keine Anzeichen für einen Hirnschaden. Das war eine unendliche Erleichterung für die Butanerin. Sie blätterte zurück. Schaute sich den Unfallhergang an. Und seufzte tief auf. Massimo hatte immenses Glück gehabt. Die Duraniumstange, die ihn am Kopf getroffen hatte, hätte ihn auch leicht aufspießen können wie ein Insekt eines antiken Sammlers. Aber sie war kurz vor dem Aufschlag gegen ein Hindernis gestoßen, was nicht nur ihren Schwung gebremst hatte, sondern aus dem tödlichen Geschoss ein… nicht ganz so tödliches Objekt gemacht hatte. Aber noch immer heftig genug, so dass Massimos Schädel einfach zertrümmert… nein, nur gebrochen war.
Sie blätterte wieder vor. Ilali hatte Massimo einem Komplettscan unterzogen, bevor sie ihn in Stasis versetzt hatte. Zum Glück. Jetsun schaute nach dem Nervensystem von Massimos Körper. Und das hatte durch diesen Schock einfach abgeschaltet. Massimo war ohnmächtig geworden.
Jetsun schaute sich wieder die exakte Diagnose an. Die Stange hatte ein stumpfes Trauma verursacht, der Knochen war gebrochen am Kopf, die Schädeldecke gerissen, aber hatte keinen Schaden am Inneren verursacht. Der Druck durch die Schwellung, den das Gehirn dann aufgebaut hatte, war durch den Riss weniger schlimm gewesen, das war gut. So würde es keine bleibenden Schäden geben. Trotzdem musste Jetsun die Haut an dieser Stelle öffnen, den Knochen nun wieder in Ordnung bringen, der Blut- und der Hirndruck konnte mit Medikamenten eingestellt werden. Danach, mittels medizinischem Kleber und dem Regenerator, konnte sie sich an die äußere Verwundung machen.
„Vorhin hatte es einen Energieabfall gegeben.“ Jetsun sah zu Massimo.
„Gab es Probleme?“
„Nein, Lieutenant. Die USV der sekundären Krankenstation hatte genug Energie geliefert, um alle aktiven Anlagen hier zu versorgen.“
Ilali deutete auf die OP-Station. „Auch eine Operation hätte problemlos laufen können.“
„Sehr gut! nickte Jetsun. „Dann… wollen wir das auch tun.“
Die Bhutanerin machte sich selbst Mut, schloss einen Moment die Augen, dann bat sie Ilali ihr zu assistieren. Trotz allem wusste die geflügelte Frau, dass dieser Schaden kein leichter war und sie hatte Angst, dass ihre Hände zittern würden. Das konnte sie nicht gebrauchen. Das konnte Massimo nicht gebrauchen!
Massimo wurde von den zwei Sanitätern, die Jetsun mitgebracht hatte sehr vorsichtig auf den OP-Tisch manövriert. Die Stasis-Einheit war hierzu extra gedacht.
„Stasis wird abgeschaltet“, hörte Jetsun dann die Stimme der anderen Ärztin. Das sanfte Leuchten verblasste. Es ging los!
Jetsun griff zum Laserskalpell, machte einen Bogenschnitt und zog dann die Haut vom Knochen. Der Schädel Massimos lag nun weiß vor ihr. Der Kopf, den sie so oft gestreichelt hatte. Sie riss sich zusammen, stellte das Laserskalpell neu ein und ließ sich Verbundknochenmasse anreichen. Ilali hielt den Strang künstlichen Knochens, der sich langsam in den Riss einfügte, während Jetsun die Masse bearbeitete. Das Biobett gab beruhigende Töne von sich, der Herzschlag Massimos änderte sich nicht, und zuletzt hatte sie alles perfekt zusammengefügt. Jetzt musste sie noch die Haut wieder zurückklappen und andrücken, während Ilali mehrfach mit dem Regenerator über die Schnittstelle ging.
Endlich war die Arbeit getan, das Biobett hatte die notwendigen Medikamente selbständig verabreicht, die Jetsun vorab eingegeben hatte. Die Werte sahen gut aus. Massimo würde natürlich noch einige Tage unter den Folgen der Erschütterung des Gehirnes leiden, aber auch das würde abklingen und dann wäre er wieder ganz der Alte. So hoffte Jetsun. Er musste!
In wenigen Minuten würde sie es erfahren. Ein leichtes Stimulanz würde ihn zu ihr zurück bringen, aus der Bewusstlosigkeit. Erst jetzt, nachdem sie die Aufgabe vollbracht hatte, zitterten ihre Finger. Es gab hier weitere Patienten, um die sie sich kümmern müsste, doch keinen weiteren ähnlich schweren Fall. Der Rest musste nun warten, Jetsun fühlte sich, als ob sie zwei Schichten lang am Stück operiert hatte.
Ganz langsam glitt Massimo durch den Nebel, in Richtung Helligkeit, die den aktiven Bewusstseinszustand anzeigte. Er hatte Kopfschmerzen, das war das erste, was er fühlte. Das zweite war der trockene Mund und eine Zunge, die viel zu groß und ausgedörrt erschien. Vorsichtig schlug er die Augen auf, blinzelte. Jetsun war hier. Langsam erinnerte er sich, zumindest daran, wie er den Mann zwischen den beiden Rohren befreit hatte. Was war dann passiert? Er wusste es nicht. Seine Stimme war nur ein Krächzen, kaum verständlich, also flüsterte er leiser, tonlos: „Bin ich im Himmel? Ich sehe einen Engel.“
Gegen ihren Willen musste Jetsun lächeln, während ihr die Tränen kamen. Massimo hatte sie so oft als seinen Engel bezeichnet. Sie beugte sich herunter zu ihm. „Nein! Bist Du nicht. Weit davon entfernt. Aber ich bin hier, bei Dir. Wir sind beide hier Und unser Schiff ist wieder ganz!“
Vorsichtig küsste sie ihn auf seine Lippen.
„Ruh Dich aus. Du warst böse verletzt, doch jetzt ist wieder alles in Ordnung.“
Sie erhob sich wieder. „Ich bin hier, ganz in Deiner Nähe. Es gibt noch andere Verletzte, aber das Gröbste haben wir gut überstanden.“
Massimos Hand griff zu Jetsuns, er drückte sie sanft, hielt sie auf und versuchte tonlos zu sprechen: „Ich weiß gar nicht, was passiert ist, wir… wir sind abgestürzt. Jemand war eingeklemmt, Elbrum und ich haben ihn rausgeholt… geht es dem Mann gut?“
Jetsun nickte. Den Bericht hatte sie überflogen.
„Es hat sich ein Teil in der Jeffriesröhre gelöst und ist Dir auf den Kopf gefallen.“
Das erklärte die Kopfschmerzen. Der Italiener nickte langsam. Er war froh, dass Jetsun jetzt bei ihm war. Noch immer war sein Hals trocken. Und das Schiff war abgestürzt. Er hatte keine Zeit hier herumzuliegen, sicher gab es mehr als genug zu tun. Wie lang war er bewusstlos gewesen?
„Wie lang…“, krächzte er.
„Ein paar Tage. Nicht lang. Es war schwierig. Wir wussten nicht, ob wir das Schiff evakuieren müssten. Aber Du warst verletzt und so haben sie Dich hier in Stasis behalten.“
Sie lächelte. Dann beugte sie sich zur Seite und holte ein kleines Trinkfläschchen mit Trinkhalm daran und hielt es Massimo hin.
Dankbar nahm er einen Schluck, doch das nutzte kaum etwas. Mit dem nächsten befeuchtete er erst das Innere seines Mundes, bevor er schluckte. Jeder Schluck tat im Kopf weh, aber das war besser als dieses Kratzen im Hals.
„Danke“, kam es, nachdem er etwa den halben Becher mühsam geschafft hatte und Jetsun nahm das Gefäß ein wenig zurück. Dann verstand er: „Tage?“
Er hatte gedacht, es wäre nur kurz gewesen, vielleicht ein paar Stunden maximal. Tage in Stasis? Was war geschehen?
„Das Schiff wurde getrennt. Ich war ja auf Geos, Du auf Olymp. Sonst wäre ich schon viel eher gekommen. Alle drei Teile sind auf den Planeten gestürzt. Es… gab ein paar Tote. Zum Glück nur sehr wenige. Aber jetzt ist das Schiff wieder ganz. Etwas näheres weiß ich aber leider auch nicht. Ich glaube, wir sind wieder im Orbit.“
Massimo nickte, dann wollte er aufstehen, wurde aber sanft zurückgedrängt: „Du musst noch liegenbleiben. Ich musste Deinen Schädelknochen zusammenfügen. Vor Morgen stehst Du nicht auf,“ gab Jetsun resolut zu verstehen.
Massimo ergab sich, aber nicht ganz widerspruchslos: „Meine Leute… Das HAZARD-Team. Ich muss doch…“
„Sind die so schlecht organisiert, dass sie nicht ohne Dich zurechtkommen?“ fragte Jetsun, listig grinsend.
Langsam ließ er sich in die Kissen sinken. Zumindest musste er aber wissen, ob alle in Ordnung waren. „Ist das Team okay?“
„Das weiß ich, ehrlich gesagt, nicht. Aber wir können das sicher ganz leicht herausfinden. Warte…“
Jetsun sah sich um und entdeckte in einer Kunststoffschale Massimos Sachen. Darunter auch seinen Kommunikator. Sie nahm ihn und gab ihn ihrem Geliebten. „Du darfst nicht aufstehen. Und bitte strenge Dich nicht an. Du bist ausgebildeter Rettungssanitäter, Du weißt, was es bedeutet, was Du erlebt hast. Handle danach! Aber natürlich darfst Du Dich informieren.“
Sie küsste ihn noch einmal flink, dann sagte sie: „Ich muss mich jetzt um die anderen kümmern, aber ich bin hier, in Ordnung?“
Jetsun sah sich um. Ilali war nicht untätig geblieben und hatte zusammen mit den zwei Leuten, die Jetsun nach Olymp begleitet hatten, begonnen, endlich auch die anderen Verletzten zu versorgen, die bislang nur stabilisiert werden konnten. Und es gab auch kranke. Jetsun trat daher zu den dreien und gemeinsam begannen sie, koordiniert vorzugehen.
Einen Moment lang sah Massimo nur zu. Ihm war mulmig zumute. Es hatte Verletzte und Tote gegeben. Wollte er wissen, ob jemand von seinen Leuten darunter war? Ja. Er musste es wissen. Aber sofort? Sein Kopf fühlte sich noch immer an, als würde darin jemand mit einem Presslufthammer eine Symphonie Beethovens spielen. Er spielte unbewusst mit dem Kommunikator, dann nahm er seinen Mut zusammen und betätitgte ihn: „Aquila an Sunderland, Agnes, hast Du kurz Zeit?“
Es fiepte, dann meldete sich die Stimme der Gunny: [„Massimo! Schön Deine Stimme zu hören. Alles in Ordnung? Wir dachten schon, wir würden Dich lange nicht wieder sehen oder hören.“]
„Wir Italiener haben alle einen Dickschädel. Ich bin in Ordnung, auch wenn ich wohl erst morgen wieder aufstehen darf. Sind alle in Ordnung?“
Es dauerte einen kurzen Moment, dann kam die Antwort: [„Jurot hat sich den Arm ausgekugelt, aber der ist schon wieder halbwegs fit. Du warst der schwerste Fall, den wir hatten. Der Rest ist wohlauf.“]
Ein Stein in der Größe eines Shuttles fiel dem italienischen Marine vom Herzen.
„Danke, Agnes, wenigstens etwas.“
[„Noch sind wir in klingonischem Gebiet. Wir haben alle Hände voll zu tun. Du sieh zu, dass Du schnell wieder auf die Beine kommst, ja?“]
Massimo brummte: „Ich bemühe mich. Ich habe hier die beste Ärztin, die ich mir nur vorstellen kann, also bin ich sehr bald wieder da.“
Ein leises Lachen war die Antwort: [„Gib ihr auch einen Kuss von mir, dass sie Dich schnell wieder hinkriegt!“]
„Nein, sonst will sie hinterher nur noch welche von Dir, das lassen wir lieber“, schmunzelte Massimo.
Erneutes Lachen vom anderen Ende der Verbindung, dann ein Abschied: [„Ich hab hier noch zu tun. Sag Bescheid, wenn Du wieder diensttauglich bist.“]
„Mach ich. Danke!“
Massimo sah zu Jetsun, die mit dem nächsten Patienten beschäftigt war. Dann schloss er die Augen. Der Schmerz ließ ganz langsam nach und wenn er sich nicht bewegte, ging es.
Tief atmete er durch. Jetsun hatte ihm das Leben gerettet. Sein Engel.
</RPG>
<SUM>
#Ort: USS Hephaistos – Geos, Deck 09 – primäre Krankenstation
#Zeit: MD 25.0500
Die primäre Krankenstation bereitet sich auf den nächsten roten Alarm vor.
#Ort: USS Hephaistos – Geos, Deck 09 – primäre Krankenstation
#Zeit: MD 25.0505
Auch auf der Krankenstation wurde das Andockmanöver der drei Hephaistos-Teile wahrgenommen. Obwohl es ein wenig unheimlich war, wurde das ganze von allen freudig begrüßt.
#Ort: USS Hephaistos – Geos, Deck 09 – primäre Krankenstation
#Zeit: MD 25.0545
Nach dem erfolgreichen Kopplungsmanöver informiert sich Jetsun über den Verletzungsstand der anderen Schiffsteile und ganz besonders nach einem für sie sehr speziellen Marine. Zu ihrem Entsetzen muss sie feststellen, dass Massimo Aquila übel verletzt wurde. Nathaly Grace, ihrer Stellvertreterin und sie kommen überein, ein medizinisches Notfallteam unter Jetsuns Führung auf die Olymp zu schicken, um dort auszuhelfen.
#Ort: USS Hephaistos – Olymp, Deck 03 – auf dem Weg zur sekundären Krankenstation
#Zeit: MD 25.0610
Der Weg zur Olymp kann nur zu Fuß stattfinden, da die Turbolifte noch nicht wieder freigegeben wurden. Eine Maßnahme, die durch einen Energieausfall als korrekt bestätigt wurde.
#Ort: USS Hephaistos – Olymp, Jeffriesröhren
#Zeit: MD 23.1840
Rückblick: Staff Sergeant Massimo Aquila wird bei einem Rettungseinsatz schwer verletzt und mangels Kapazitäten nur stabilisiert und in Stasis versetzt.
#Ort: USS Hephaistos – Olymp, Deck 03 – sekundäre Krankenstation
#Zeit: MD 25.0620
Nach dem Eintreffen von Jetsuns Team informiert diese sich bei Petty Officer Ilali ak Metano, die auf Olymp die sekundäre Krankenstation betreut hatte über Massimos Zustand. Zusammen mit der Renao macht sie sich dann daran, ihren Geliebten zu operieren. Die Verletzung war ziemlich schwer, ließ sich aber zu zweit gut durchführen. Massimo erwacht nach einiger Zeit und würde am liebsten sofort wieder aufstehen und seinen Teil beitragen, muss sich aber für den Rest des Tages damit begnügen, Jetsun bei der Arbeit zuzusehen.
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