#Zeit: MD97.0610
#Ort: Quartier Jetsun Pema
Jetsun wachte auf, als Massimo sich vorsichtig aus ihrem gemeinsamen Bett erhob.
„Hallo, Schatz! Wo willst Du denn hin?“ fragte sie verschlafen und noch nicht wirklich ganz da.
„Ins Bad. Schnell Duschen. Und dann los. Ich habe Dienst.“ erwiderte Massimo mit deutlichem Bedauern in der Stimme.
Jetsun warf einen Blick auf ihre Uhr. Verdammt, sie hatte auch Dienst. Und das schon in 20 Minuten. „Ich komme mit.“ konstatierte sie und sprang ebenfalls aus den Federn.
„Muss schnell gehen!“ fügte sie erklärend hinzu.
„Dann müssen wir kaltes Wasser nehmen!“ meinte Massimo, was ihm einen leicht entsetzten Seitenblick von Jetsun einbrachte.
Fünfzehn Minuten später waren beide Offiziere tatsächlich halbwegs vorzeigbar bereit, Jetsuns Quartier zu verlassen. Massimo ging vor… und schaffte es gerade noch, nicht gegen die sich nicht öffnende Tür zu knallen. „Was zum…“ begann er ausgesprochen ungewohnt.
Jetsun, die ihrerseits nicht geschafft hatte, rechtzeitig zu stoppen und so gegen Massimo gelaufen war, trat wieder einen Schritt zurück.
„Stimmt was nicht?“ fragte sie etwas naiv.
„Die Tür öffnet sich nicht. Ob… ach, verdammt!“ Massimo sah Jetsun an, die wissend nickte.
„Die Versiegelung!“
„Ich versuche mal meinen CM-Override!“ meinte sie dann, doch Massimo unterbrach:
„Lass uns einfach darum bitten, die Versiegelung aufzuheben, statt sie zu durchbrechen, ja?“
Jetsun machte den Mund auf… und wieder zu. „Ja. Du hast recht!“
Massimo drückte seiner Liebsten einen flinken Kuss auf die Wange, dann tippte er auf seinen Kommunikator. „Sergeant Aquila an Sicherheit.“
[„Sicherheit hier, Petty Officer Jackson. Was kann ich für Sie tun, Sergeant Aquila?“]
„Ich befinde mich zusammen mit Lieutenant Jetsun Pema in deren Quartier. Bitte entfernen Sie die Versiegelung, damit wir das Quartier verlassen und unseren Dienst beginnen können.“ erwiderte Massimo ausdrücklich höflich.
[„Oh, ähm… Moment bitte…“] Jackson tippte etwas, dann meldete er sich wieder:
[„Die Versiegelung wurde von Lt.Cmdr. DeCoster angeordnet. Ich habe leider keine Freigabe, sie wieder aufzuheben.“]
Massimo drückte Jetsuns Unterarm, als er spürte, dass sie sich aufzuregen begann.
„Sicherlich ist diese Versiegelung an Bedingungen geknüpft gewesen, weshalb sie eingeleitet wurde. Wenn diese Bedingungen jetzt nicht mehr gegeben sind, sollte es doch möglich sein, uns zum Dienst zu lassen, oder?“
[„Leider sehe ich hier keine Bedingungen. Ich stelle Sie durch zu Commander DeCoster. Standby!“]
Es dauerte einen Augenblick, dann erklang Samanthas Stimme: [„XO!“]
„Commander, hier spricht Staff Sergeant Aquila. Ich befinde mich zusammen mit Lieutenant Jetsun Pema in deren Quartier. Leider ist dieses Quartier versiegelt und wir können nicht heraus, um unseren Dienst anzutreten, Ma’am.“
[„Ich verstehe, Sergeant. Was ist mit diesem Hologramm?“]
„Das Hologramm ist abgeschaltet, als Sie diese Versiegelung eingeleitet haben, Commander!“ reif Jetsun laut und böse dazwischen. Massimo hielt intuitiv seine hohle Hand über den Kommunikator. Sam hatte den Satz aber dennoch verstanden.
[„Es ist abgeschaltet, sagten Sie, Lieutenant?“]
Massimo sah Jetsun streng an und diese nickte.
„Ja, Ma’am. Ich habe hier in meinem Quartier natürlich keinen Server und daher wurde das Hologramm deaktiviert, als die Versiegelung die Verbindung zum Server verlor.“
[„Gut. Dann lasse ich die Versiegelung wieder aufheben. XO Ende!“]
„Gut, sagt sie! Die Frau hat Nerven!“ kochte Jetsun auf kleiner Flamme.
„Jetsun, bitte!“ Massimo sah seine Freundin an.
„Du musst bitte die Sicht der Schiffsführung beachten. Ein Hologramm, welches sich eigenständig aktiviert und dann auch noch das Holodeck verlässt, ist normalerweise ein hohes Sicherheitsrisiko. Das ist nämlich etwas, was es eigentlich nicht geben sollte. Ausnahmen sind exakt kontrollierte Umgebungen wie das MHN und die SHNs. Du weißt das.“
Jetsun schaute zurück, dann senkte sie den Blick. „Ja, natürlich. Aber ich kann doch nichts dafür.“
„Kannst du das wirklich nicht?“ fragte Massimo sanft nach. „Du hast das Programm doch manipuliert.“
„Ich habe nur die Komplexität höhergestuft. Ich habe dem Programm keine höheren Rechte gegeben. Das kann ich gar nicht.“ erklärte Jetsun entschieden.
„Stimmt!“ nickte Massimo. „Woher die kommen müssen wir noch herausfinden.“
Plötzlich ging die Tür auf. Gleichzeitig erklang ein leiser Gongschlag: [Achtung. Die Sicherheitsversiegelung wurde aufgehoben!]
„Gehen wir!“ meinte Jetsun und die beiden gingen strammen Schrittes zum nächsten Turbolift.
#Zeit: MD97.0645
#Ort: Krankenstation
Der wissende sympathische Blick von Nathaly Grace ließ Jetsun leicht zischen.
„Ich konnte nicht aus meinem Quartier raus!“ erklärte sie. „Die XO hatte uns eingesperrt.“
Nathalys Blick ließ klar und deutlich erkennen, dass sie das für die schwächste Ausrede seit Jahren hielt, aber sie machte sich nichts daraus. Es war ja schön zu erleben, dass Jetsun auch mal ein wenig Spaß hatte.
„Jori… also Lieutenant Tainia hat etwas für dich abgegeben. Eine Blutprobe. Sie ist in deinem Raum.“ meinte sie. „Er sagte, dass du die persönlich untersuchen wolltest.“
„Oh, ja. Danke. Was für ein Glück!“ entfuhr es Jetsun.
Auf das fragende Gesicht von Nat erklärte sie: „Wenn ich die mitgenommen hätte, wäre sie jetzt weg.“
Nat fragte nicht nach.
In ihrem Büro legte Jetsun erstmal ihren Rachu ab und hängte ihn über einen Bügel. Dann setzte sie sich an ihr Terminal und machte ein Update von Neniis Spieldaten vom Holodeck auf die Sandbox in der speziellen Partition ihres separaten Rechners hier.
Dann atmete sie tief aus. Und dachte nach.
Massimo hatte absolut recht. Ein Hologramm, was einfach das Holodeck verließ, das hatte es schon mehrfach gegeben. Es gab da einen dokumentierten Fall der USS Enterprise-D. Die betroffenen Hologramme wussten sogar, dass sie das Holofeld nicht verlassen konnten, ohne sich aufzulösen. Und sie hatten Gewalt über schiffsinterne Systeme ergriffen. Jetsun lächelte ein wenig nervös. Eines war ein gewisser Doktor Moriatti gewesen. So, oder so ähnlich. Deshalb hatte man nach diesem Vorfall die Sicherheitssysteme auch weiter ausgebaut.
Nun, dazu konnte und würde sie auch berichten, sobald man sie dazu befragen würde. Bis dahin würde sie sich jetzt erst einmal um diese sonderbare Blutprobe kümmern.
Sie nahm den kleinen Behälter und tat zwei Proben davon auf unterschiedliche Objektträger. Einen davon legte sie auf den Erfassungsbereich des Scanners. „Computer, untersuche diese Blutprobe. Breitbandanalyse.“
[Bliep] machte das System um dann unmittelbar darauf anzumerken: [Analyse nicht möglich. Es liegt keine Blutprobe vor.]
„Danke!“ erwiderte Jetsun und seufzte tief. Das hatte sie befürchtet. Elektronische Untersuchungsmethoden funktionierten bei Holographien nun einmal nicht.
Sie nahm den Objektträger und legte ihn dann auf den Erfassungsbereich eines optischen Mikroskops. Den zweiten Objektträger indizierte sie dann noch mit einem speziellen Farbstoff, der die Blutprobe optisch besser erkennbar machen sollte. Fasziniert beobachtete sie, wie das tatsächlich funktionierte. Diese zweite Probe legte sie direkt neben die erste. Dann ließ sie das Mikroskop starten.
Es war in der Tat ein rein optisches Gerät, jedoch wurde die optische Abtastung durch entsprechende Photosensoren in elektronische Signale, also Bilder, umgewandelt. So musste man nicht die ganze Zeit in ein Okular starren, sondern konnte die Sichtergebnisse auf dem Bildschirm betrachten, verändern und abspeichern.
Was Jetsun hier sah, war ganz normales menschliches Blut! Wahnsinn!
Sie zoomte weiter und weiter heran. Offenbar war das Hologramm extremst fein auflösend. Jetsun schätzte, dass es bis auf zelluläre Ebene herunterbrach. Das würde die extreme Rechnerlast erklären. Ein weiblicher Körper bestand aus rund 30 Billionen Zellen. Da Zellen rein optisch allerdings keine komplizierten Elemente waren, war das machbar. Es waren mehr Pixel in einem Bild. Dennoch war die Komplexität dieses Hologramms immens.
Jetsun verglich nun noch einmal beide Blutproben, stellte aber keine Unterschiede fest. Der Farbstoff hatte sich tatsächlich ganz normal mit dem Blut selbst vermischt. Hier war alles ganz normal.
Jetsun ging nun noch einmal näher heran, woraufhin die Unterschiede zu lebenden Zellen zutage traten. Diese Zellen waren einfach nur… Gebilde. Kein Zellkern und nichts. Sie konnten sich in gewissem Maße verformen, aber das war es auch schon. Auch der Versuch, mit einer Nadel dort einzudringen, brachte nur das Ergebnis, dass eben das passiert, die Zelle aber nicht reagierte. Sie gab nach, beulte sich ein, aber irgendwann wich sie gewissermaßen aus, so dass die Nadel zwischen zwei-drei Zellen hindurch glitt. Hier war deutlich das Ende der Simulation erreicht.
Zuletzt versuchte sie noch, die Zellen mit einer zersetzenden Substanz in Berührung zu bringen. Auch hier war klar erkennbar, dass dies nur eine Holosimulation war. Die Zellen wurden durch die Säure nicht angegriffen und zerstört, sondern lösten sich einfach nur auf, verschwanden einfach. Eine medizinische Behandlung wie der Gebrauch eines Dermalregenerators würde sicherlich ebenso wenig funktionieren. Nur ein Pflaster würde etwas bringen, wenn auch nur optisch, da die Simulation sicher auch den Heilungsprozess simulieren würde.
Jetsun dokumentierte das alles, dann deaktivierte sie die Teststellung und lehnte sich zurück.
Es war alles nur eine Simulation. Jedenfalls physisch. Nur was war mit Nenii selbst? Sie hatte ja kein Gehirn, auch wenn dieses auf zellulärer Ebene simuliert wurde. All ihre Denkprozesse fanden im Rechensystem des Holodecks statt. Ebenso wie ihre Wahrnehmung. Sie ’sah‘ nicht wirklich etwas, sondern der Computer berechnete nur den Blickwinkel ihrer Augen und legte dann fest, was sie wahrnehmen würde und was ihr nach den Regeln der Optik verborgen blieb.
Dennoch… der Holodoc hatte seine Programmierung so weit erweitert, dass er ein eigenes Bewusstsein entwickelt hatte und daher als denkendes, fühlendes und somit lebendes Wesen anerkannt wurde. Wie er das gemacht hatte, konnte Jetsun sich nicht vorstellen.
Was er hatte, waren zwei Programme. In einer Software, die er benutzt hatte. Ob er die selbst geschrieben oder sich beschafft hatte, wusste sie nicht.
Da war einmal eine Erhöhung der Komplexität der Auflösung des Hologramms. Also gewissermaßen die Polygone, aus der das Hologramm bestand. Die höchste Auflösung, die Jetsun gewählt hatte, war diese Komplexität bis auf zelluläre Ebene. Soviel Jetsun wusste, hatte der Holodoc das nicht genutzt. Jedenfalls hatte sie davon nichts gemerkt. Vielleicht hatte er die Einstufung aber auch nicht so hoch geregelt. Richtig sinnvoll war sie ja auch nicht. Beeindruckend, sicherlich, aber nicht sinnvoll.
Und dann die Komplexität der Denkprozesse. Hier konnte Jetsun sich vorstellen, dass der Holodocs das für sich genutzt hatte. Das war mehr als nur Optik, das war eine Erhöhung der kognitiven Vorgänge des Programms.
Stammte hierher möglicherweise das Selbstbewusstsein? Aber der Holodoc hatte sein Selbstbewusstsein ja schon vorher gehabt.
Anders als Nenii. Die war ein ganz normales Payware-Programm. Allerdings hatte sie deren Software mittels der Programme des Holodoc erweitert.
Hatte sie damit ein Dienstvergehen begangen? Rational bedacht sicherlich nicht. Abgesehen davon, dass sowohl der Rechner hier in der Krankenstation, wie auch das Holodeck eine Sandbox war, war diese Software weder ein Virus oder ein anderweitiges Schadprogramm, noch enthielt sie solches. Hier waren nur zwei Softwarepakete, die durchlaufen wurden und die das Holodeckprogramm kompilierten.
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit musste das etwas mit der Anomalie, mit Acardia zu tun haben. Und das zu ergründen, wäre nahezu unmöglich.
#Zeit: MD97.0730
#Ort: Sicherheitsabteilung – Büro des Leiters
Massimo setzte sich nach Aufforderung des Sicherheitschefs. Sie waren allein in seinem Büro, um die Vorkommnisse des letzten Abends zu besprechen. Jori bot Kaffee an, den der Italiener gern entgegennahm.
„Also, was passierte, als Nenii im Quartier war noch?“
Massimo seufzte: „Wenig, da die erste Offizierin eine Versiegelung um das Quartier legte und damit die Holoemitter vom Computer trennte. Das war eine direkte Abschaltung und Jetsun hat sich sehr aufgeregt. In einer Hinsicht zurecht, denn die Commander hätte auch erst fragen und die Situation klären können, andererseits liegt die Sicherheit des Schiffes in ihrem Auftrag und ich kann auch nicht abschätzen, inwieweit ein irregluär herumlaufendes Hologram mit eigenem Willen und der Möglichkeit das Holodeck zu verlassen und an Bord herumzumarschieren zu einer Gefahr werden könnte. Ich danke Dir auf jeden Fall, dass Du die Blutprobe ins Labor gebracht hast, so kann diese jetzt untersucht werden und wir finden vielleicht mehr heraus.“
Jori nickte: „Auf das Ergebnis warten wir nun?“
„Darauf, und darauf, was die Computerexperten herausfinden. So weit ich weiß sind die OPS und diese vulkanische Mathematikerin da dran.“
„Ensign Larsen und Lieutenant T’Vala?“, fragte Jori nach, um sicher zu gehen und Massimo nickte.
„Was können wir tun?“, fragte Jori nach und Massimo hob beide Hände: „Ich habe keine Ahnung, ich bin kein Techniker, der die Programmierung prüfen könnte, kein Jurist, der sich ausgiebig mit Rechten von künstlichen Intelligenzen auskennt, ich weiß nicht einmal, inwiefern Nenii überhaupt eine wirkliche künstliche Intelligenz ist, oder nur ein sehr ausgeklügeltes Programm, das das tut, was der Programmierer vorgesehen hat. Ich möchte nur Jetsun jeglichen Ärger ersparen und ich möchte nicht, dass sie verletzt wird. Sie hat genug durchgemacht und das alles einfach nicht verdient. Im Gegenteil möchte ich sie glücklich sehen.“
Jori nickte, nun auch in Sorge um die Chefärztin: „Und sie untersucht jetzt diese Blutprobe selbst?“
„Sie will dazu beitragen, diese ganzen Rätsel zu lösen, kannst Du es ihr verdenken?“
Der CSO dachte an die eigenen Rätsel. An Tätowierungen, die ihn auch jetzt noch vor Magie schützten, an sprechende Raben und an eine Müllerin, die eigentlich die Counselor war.
„Nein. Ich würde es wahrscheinlich ähnlich halten.“
Jori hatte eine Idee: „Und wenn wir nun hingehen und das Programm aufrufen?“
Massimo war dagegen: „Darüber hatte ich auch nachgedacht“, gab der Italiener zu, „aber nicht ohne Jetsun. Du hast selbst gesagt, dass das Programm zu viele Ressourcen des Schiffes verbraucht und dass nur Jetsuns Nähe die Werte niedrig hält. Und ich glaube nicht, dass wir beide kompetent genug sind, irgend etwas tun zu können, was andere nicht besser könnten. OPS, Wissenschaft, Technik, Medizin, die sind alle schon dran. Wir tun das, was Marines immer tun, wenn sie nicht wissen, was der nächste Tag oder die nächste Stunde bringt.“
Jori legte den Kopf ein wenig schief und sah den Italiener fragend an.
„Wir halten uns bereit dazu, unseren Job zu machen und hoffen gleichzeitig, dass wir nicht benötigt werden.“
Ein Schmunzeln konnte der Eska nicht unterdrücken.
</RPG>
<SUM>
#Zeit: MD97.0610
#Ort: Quartier Jetsun Pema
Jetsun und Massimo wollen zum Dienst, stellen aber fest, dass sie das Quartier nicht verlassen konnten. Erst eine Nachfrage bei der XO lässt die beiden wieder frei.
#Zeit: MD97.0645
#Ort: Krankenstation
Auf der Krankenstation angekommen, untersucht Jetsun Neniis Blutprobe. Ein elektronischer Test schlägt erwartungsgemäß fehl, doch eine rein optische Untersuchung macht deutlich, dass Neniis Holographischer Körper auf zellulärer Basis beruht.
#Zeit: MD97.0730
#Ort: Sicherheitsabteilung – Büro des Leiters
Massimo und Jori besprechen ihr weiteres Vorgehen.
</SUM>
submitted by Isi Fox und Assets