Noch immer lag Kidah auf der Brücke, wo sie unsanft gelandet war,
nachdem sie erfolglos versucht hatte, sich festzuhalten. Noch immer war
sie nicht bei Bewusstsein, doch ein aufmerksamer Beobachter konnte
sehen, wie ein kurzer Schauer durch ihren Körper lief. Leise, fast nicht
zu verstehen, kam ihr ein einzelnes Wort über die Lippen: „Hephaistos.“
# Zeit: MD 23.2150
# Ort: Hauptbrücke USS Hephaistos, Olymp
Während ihr Körper in aller Stille ruhte, um alle verfügbare Ressourcen
auf die Selbstheilung zu konzentrieren, war ihr Geist noch immer rege
beschäftigt. Kidah schwamm, schwebte, glitt durch die tiefschwarze
Dunkelheit, fühlte sich jedoch nicht orientierunglos. Sie wusste, wohin
sie sich wenden musste und zweifelte keinen Moment. Ohnehin war Zeit ein
abstraktes Konzept. Es mochten Sekunden, Monate, Äonen vergehen, hier
machte es keinen Unterschied. Wo war ‚hier‘? Erst jetzt wurde ihr klar,
dass sie gar nicht wusste, wo sie sich eigentlich befand. Doch war es
wichtig? Es war angenehm, in Stille und Ruhe die Bewegung zu fühlen,
ohne Richtung und Orientierung einfach nur zu sein.
Ein kleiner Lichtpunkt tauchte auf, nur ein Nadelstich im endlosen
Schwarz. Kidah bewegte sich darauf zu, doch noch bevor sie ihn
erreichte, tauchte ein zweiter Lichtpunkt auf. Dann ein dritter,
vierter, schließlich viele, unendlich viele überall um sie herum. Sie
leuchteten konstant oder flackerten, waren weiß, gelb oder rot. Sie
konnte sich nicht länger entscheiden, welchen Punkt sie anvisieren
sollte. Dann ein Lichtblitz. Er war größer, heller als die Lichtpunkte
und schnell wieder verschwunden. Als sie sich in die Richtung wandte,
entdeckte sie ein Raumschiff. Weit unter ihr trieb es dahin. Hatte es
Waffenfeuer gegeben? Nein, es war bloß eine Reflektion auf dessen
glänzender Hülle gewesen. Eine Sonne erhellte sie und in bestimmten
Winkeln reflektierte ihr Licht. Erhaben, ohne jedes Geräusch, bewegte
sich das Schiff in dieser Finsternis. Ebenso leise begann das Schiff
auseinander zu fallen. Erst löste sich ein Teil, dann das nächste und
Kidah erkannte, dass gar keine Zerstörung im Gange war. Dieses Schiff
trennte sich in drei Teile.
‚Ist es sinnvoll, die Krankenstationen jeder Sektion mit Laboren
auszustatten? Hades, Geos, Olymp?‘
Der Gedanke kam und er ging wieder, doch Kidah wusste, dass die
Assoziation durch das dreigeteilte Schiff entstanden war. Hephaistos,
ja. Obwohl drei einzelne Teile von ihr jetzt in verschiedene Richtungen
davon drifteten, machten sie gemeinsam eine Einheit aus, ein einziges
Raumschiff. Und sie selbst? Sie war ein Teil von ihr, ein vierter Teil.
Getrennt, davon driftend, nicht länger ein Teil des Ganzen. Aber das
widersprach der inneren Ordnung. Ihr Platz war auf einem Raumschiff, das
ganz war. Je länger sie diesem gedanklichen Faden folgte, desto
eindringlicher wurde die Erkenntnis, dass auch sie selbst nur ganz
werden konnte, wenn sie die Trennung aufgab. Doch wie gelang das? Wie
wurde sie Teil von etwas, das selbst in mehrere Teile zerfallen war? Man
rief sie. Schiffe, die etwas tun sollten, wurden gerufen. Sie verfolgte
diesen Gedanken weiter, formte Strukturen vor ihrem geistigen Auge.
Lichter, Wände, Monitore, Konsolen… ein riesiges Fenster, das das
Weltall zeigte, Schwärze und Lichtpunkte. Hier war sie gewesen, hier war
es geschehen. Nur was? Die Darstellung änderte sich, verwischte Farben
und Formen huschten vorbei. Blau, Weiß, Grün, Braun, Grau… Nur einen
Lidschlag lang eine glitzernde Fläche. Wasser, Sonnenlicht… ein See!
Und dann? Lärm, einfach überall. Die Farben waren verschwunden, das
Glitzern ebenfalls. Ein plötzliches Donnern ertönte, zog sich in die
Länge, überfüllte alle Sinne, war lauter als Stimmen, Licht und Farben.
Schmerz. Der Schmerz! Da war er, ja, es gab ihn wirklich und er war da,
wurde beinahe ausgelöscht durch das unaufhörliche, alles durchdringende
Donnern!
Kidah fühlte sich nur für einen kleinen Moment erinnert an den Anfang
ihrer Reise. Dunkelheit umgab sie, vollkommenes Schwarz ohne Kontur.
Doch diesmal war es anders. Keine Strukturen bildeten sich aus dem
Dunkel, keine Wüstenlandschaft, kein Haus, keine Leute. Stattdessen
kehrten andere Sinneseindrücke zuerst zurück. Der Schmerz war noch immer
da, hatte nicht nur ihren gesamten Kopf erfasst, sondern war überall
spürbar. Ein Handgelenk, angeschlagen, verstaucht, gebrochen? Ein Knie,
gestoßen, verrenkt, verbrannt? Die Rippen auf der linken Seite,
gebrochen, kollidiert mit etwas? So fühlte sie sich durch ihren ganzen
Körper, erfasste Schmerzen und konnte noch nicht ausmachen, wie sehr sie
verwundet war.
Der Lärm war verschwunden, doch sie nahm Stimmen wahr. Worte, ein
Husten, Stöhnen. Worte nicht in ihrer Muttersprache und doch verständlich.
Sie öffnete ihre Augen und sah Grau über sich. Grau und… eine Uniform.
Ihr Blick tastete sich an einem Ärmel entlang, bis er auf das
dazugehörige Gesicht stieß. Und mit dem Gesicht kehrte endlich,
plötzlich die Erinnerung zurück. Sie befand sich auf der USS
Heiphaistos. Es roch nach Qualm. Das Schiff hatte sich in seine
Einzelsektionen geteilt und der Teil, auf dem sie sich befand, war auf
einen Planeten gestürzt. Das Gesicht war ein bekanntes.
„Lieut-“, begann Kidah, doch sie musste sich selbst unterbrechen, weil
ihre Stimme rauh und kaum verständlich war. Sie räusperte sich und
begann erneut.
„Lieutenant LaGroille. Die Landung war ein wenig unsanft, möchte ich sagen.“
Ein leises Lachen war die Antwort.
„Aber wir sind gelandet. Wie geht es Ihnen?“
Kidah dachte kurz über diese Frage nach und entschied dann kurzerhand,
sie umfassend zu beantworten. Sie hob die Hand zu der Schwellung an
ihrer Stirn, befühlte sie und nahm dann das heile Handgelenk zur Hilfe,
um sich aufzusetzen. Es kam nichts Neues hinzu, kein Schwindel, keine
neuen Schmerzen. Zu atmen war eine Überwindung mit den Rippen, aber es
war möglich.
„Ich bin bewegungsfähig. Die volle Antwort werde ich Ihnen geben, wenn
ich stehe.“
Kurz legte Fabièn ihr eine Hand auf den Arm.
„Sind Sie sich sicher, das Sie das tun wollen? Bleiben Sie doch liegen,
bis ein Arzt kommt.“
„Ich bin mir sicher.“, antwortete sie kurz angebunden und sah den
Fingern ihrer Hände zu, wie sie sich bewegten, zur Faust ballten und
wieder öffneten. Gut, gebrochen schien nichts. Das Knie… Sie setzte
den Fuß auf der schmerzfreien Seite auf, stützte sich auf eine Hand und
wußte nicht genau, wie sie sich jetzt erheben konnte. Ihr Blick fiel auf
die Konsole neben ihr. Auch gut. Sie packte den Rand, hielt sich fest
und stemmte sich vom Boden hoch. Die Anmut fehlte vielleicht, doch
letztlich stand sie mehr oder weniger aufrecht. Die Konsole loszulassen,
wagte sie hingegen nicht, nachdem ihr lädiertes Knie dagegen protestiert
hatte, belastet zu werden.
„Bitte helfen Sie mir dort vorn auf den Sessel.“, wandte sie sich leise
an Fabièn.
Es fiel ihr schwer, um Hilfe zu bitten, nachdem sie behauptet hatte,
allein aufstehen zu können. Doch sie konnte nicht die ganze Zeit dort
stehen und sich an die Konsole klammern.
</RPG>
<SUM>
Kidah erwacht aus ihrer Bewusstlosigkeit, doch ganz ohne Schrammen ist
sie nicht davongekommen.
</SUM>
submitted by
Kidah/Tanja
—
Diese E-Mail wurde von Avast-Antivirussoftware auf Viren geprüft.
www.avast.com